Zen studieren?
Wenn Zen das tägliche Leben
ist, wozu dann Studieren?
Eine gute Frage. Bleiben wir im alltäglichen Leben: Sie
haben sich das neue Flachbildschirm-TV-Gerät gekauft und
klopfen nun seit Stunden rhythmisch auf die vielen bunten
Tasten Ihrer neuen Fernbedienung, aber nichts passiert! Wozu
das Handbuch auch studieren? Sie wollen am Wochenende mit
dem Wagen einen Ausflug ans Meer machen: Wozu den Navi
benutzen (tsss, müßte man auch erst das Handbuch lesen), es
geht auch ohne Autokarte und Beachtung von Verkehrsschildern
- da läßt man sich doch ganz intuitiv vom Gefühl leiten und
wird schon spüren, wenn man sich dem Meer nähert....
Über viele Jahrhunderte haben
die alten Meister Schriften, Hilfen, Hinweise, Übungsformen,
Praktiken konzipiert und hinterlassen und ja, eben diese
gilt es zu studieren. Wozu?
Nicht, um sie für die Lehre zu halten! Es kann
nicht darum gehen, sich an Papier oder Buchstaben
festzuhalten. Ebenso könnten Sie eine Landkarte stundenlang
studieren und festhalten, kommen aber so keinen
Schritt weiter.
Wohl aber ist es möglich, die Essenz, die in den Texten (und
auch der Landkarte) enthalten ist, aufzugreifen und diese zu
realisieren. „Vergesst Tasse und Teller, nachdem Ihr
getrunken und gegessen habt, bewahrt aber den Tee, laßt die
Nahrung Euch kräftigen.“
Deswegen widmen wir uns im Bambushain auch dem Studium
klassischer Texte wie denen des Dongshan (Tozan), Hui Neng,
Dogen, Bodhidharma, u.a.. Wie schon Maezumi Roshi treffend
sagte: "Praxis und Studium sind nicht zweierlei".
Deshalb endet Zenpraxis weder nach dem Sitzen, noch nach dem
Lesen....
Das Studium der Fünf Buddhafamilien ist ein weiteres
Werkzeug, ebenso, wie das tiefe Eindringen in die
Zeremonielle und Rituale, welche in sich geschlossene
Mandalas darstellen – Übungsfelder des täglichen Lebens -,
denn wenn wir vom Leben sprechen, so wird es zum
Mandala.
Wir studieren einzeln mit dem Lehrer, in der Gruppe und in
Studienkreisen, je nach Thema und Kontext.
Selbst mit den „einfachen“
Sachen ist es so eine Sache: Wie sitzt man richtig, bzw. was
macht man während der Zen-Meditation? Ja, es gibt viel
Literatur darüber, doch nichts geht – und dies ist die
Zen-Tradition – über den Unterricht von Lehrer zu Schüler,
in welchem der Schüler in regelmäßigen Abständen Unterricht
erhält.
Zudem gibt es verschiedenste andere Praktiken, wie zu Zazen
108, Wuji-Pilgern, „Plunges“, u.v.a., welche uns auf dem Weg
zur Befreiung hilfreich sein können und die im Bambushain
unterrichtet werden, abhängig vom Fortschritt des Schülers
bzw. der Schülerin.
Alle diese Studien sind letztendlich nur Hilfen zur Erleuchtung, wie starke hölzerne Bootsstege aus Pfählen und Balken Hilfen sind, das Boot sicher zu vertauen und sicheren Fußes zum Boot zu gelangen. Wenn wir erst einmal im Boot sind, ist es vielleicht müssig, über Sinn und Haltbarkeit von Bootsstegen zu sinnieren – bis dahin aber ist so ein stabiler Bootssteg eine wunderbare Hilfe.